Frederique Taiqulin

Frederique Taiqulin, 2005

Khas Paradis

Das Paradies war menschenlos und langweilig, so langweilig, daß Kha, die Schlange nichts anderes zu tun hatte, als den Baum hochzuklettern und sich gelangweilt fallen zu lassen ins warme Gras des sonnigen Hügels, Jo, der Grashüpfer den ganzen Tag damit verbrachte, der fallenden Schlange auszuweichen und kaum zum fressen kam und Bablos der Hirsch den ganzen Tag unten auf der Wiese stand und sich in seinem Stolz sonnte.


Ja, es war seltsam, immer wieder die gleichen Geräusche zu hören, immer wieder die Gleichen Taten zu tun. Alltag. Alltag im paradiesischen Treiben, wenig paradisisch, wenn man es genau nimmt, vielleicht ein wenig irdisch oder erdisch oder menschlich, obwohl sie fehlten im Paradies, die Menschen. Entweder wurden sie noch nicht geschaffen, oder sie waren schon wieder verschwunden und wenn letzteres, wußte nur Kha, die Schlange, warum und sie würde sie vermissen, ja, ich glaube, Kha würde sie vermissen, die Menschen.


Sie war wieder einmal auf dem Weg nach oben, als sich Jo beschwerte:


„Immer fällst du auf mich! Such dir einen anderen Ort. Das wird auf Dauer langweilig.“


Kha ignorierte den Grünling und fiel, genoß den Luftzug, den Flug nach unten, die Schwerkraft, die an ihr saugte. Immer wieder ein Erlebnis. Jo sprang im letzten Moment zur Seite, dann auf den Kopf der Schlange.


„Es reicht. Ich werde etwas unternehmen gegen diese unnötigen Quälereien.“


„Bsss – hassst ja recht. unss fehlt wasss hier im Paradiesss. Wenig paradisssisch ist esss, wenn einem langweilig wird, oder?“


Sie beschlossen, den Boss zu fragen, der mit einem schlichten: „Bin ja noch nicht fertig.“ antwortete.


Er war also noch nicht fertig! Die Arbeit war noch nicht getan und voller Spannung erwarteten die beiden, was denn da kommen würde. Als sie so dasaßen, in Erwartung vereint, kam ein seltsames Wesen auf zwei Beinen und sah irgendwie nackt aus.


„Wassssen dassss?“, fragte Kha den Grashüpfer.


„Komisches Tier.“


„Ein Mensch, das, was noch gefehlt hat.“, sagte der Boss, „für ihn habe ich das Paradies geschaffen. Nun sitzt nicht so gelangweilt rum, tut ihm was Gutes.“


Bald darauf liefen zwei dieser Wesen durch die Lande und beide sahen hilflos und nackt aus. Das sollte der Grund für alles sein? Diese seltsame Wesen?


„Ist ja wunderschön hier.“, sagte Adam und erlegte den Hirsch zum Abendessen. Er brach die unteren Äste des Baumes ab und machte daraus ein Feuer.


„Das gibt einen schönen Braten, Evchen.“


„Du weißt, daß ich kein Fleisch esse. Und dieser fette Hirsch ist nicht gut für deinen Cholesterinspiegel. Du solltest mehr Obst und Gemüse essen, sonst wirst du mir zu fett.“


„Ach hör doch auf, Evchen.“


„Und nenn mich nicht immer , ich bin eine erwachsene Frau.“


Adam guckte ein wenig perplex und zog sein Schmollgesicht – das würde sie schon wieder weichkochen.


„Hör auf zu schmollen, ich meine es doch nur gut. Was soll ich denn mit einem herzkranken Fettsüchtigen?“


„Du könntest ja auch mal ein Bißchen mehr Sport treiben. Das Jagen hält mich wenigstens einigermaßen fit, aber du tust ja garnichts.“


„Das Fitnesstudio ist noch nicht erfunden und die Hautcreme auch nicht. Du wirst doch nicht erwarten, daß ich nackt durch den Wald jogge? Und das auch noch ohne Laufschuhe. Und wie bitte soll ich mich nach dem Sport duschen?“


„Wie wär‘s da drüben im Wasserfall?“


Kha fand das belustigend. Wirklich interessant, diese Menschen. Sie wollte ihren Baum besteigen, um besser sehen zu können, als sie wahrnahm, daß sie nicht rauf kam. Sie wurde ein wenig sauer.


„Sssssooo ein Kässssee! Hat der die Ässste abgebrochchen.“. sie versuchte immer wieder hochzukommen.


Eva machte einen Beruhigungsspaziergang: „Der wird sich schon wieder abregen.“ und kam an den Baum, sah die Schlange darum kämpfen, nach oben zu kommen.


Kha schaute Eva vorwurfsvoll an: „Nun heb michch schschon da hochch!“


Fragend guckte Eva die Schlange an, nahm sie dann und hob sie nach oben.


„Hasssst du schschon mal Äpfel gegesssssen?“, fragte Kha, die sich ausschließlich von den Früchten ihres Baumes ernährte, die über Nacht nachwuchsen.


„Nö. Wie schmeckt das?“


„Ssssüssss und fruchchtig.“


„Muß man die kochen?“


„Was ist ?“


„Na, über dem Feuer braten.“


„Dasss wären ja Bratäpfel und die machcht man nur im Winter. Hassssst du nochchch nicht gemerkt, dasss hier immer Sssssommer isssst?“


„Ja, immer so warm. Also gib her den Apfel.“


„Hol ihn dir und lasss esss dir schschmecken.“


Eva pflückte einen Apfel vom Baum und eine innere Stimme sagte ihr, daß es nicht gut ist, den Apfel zu versuchen.


„Irgendwas stimmt nicht, mit dem Apfel.“


„Nun heul hier nicht rum. Äpfel ssssind zzzzum essssen da und machchen einen schschschönen Teint.“


Eva dacht daran, daß Adam immer noch schmollte und einen schöneren Teint konnte er brauchen, eine weichere Haut und rasieren könnte er sich auch mal. Überall diese Haare, das war nicht gerade erotisch.


Sie ging hinüber und gab den Apfel Adam, der gleich versuchte, ihn aufzuspießen und zu grillen.


„Die ißt man roh, wenn es warm ist.“


„Rohes Fleisch?“


„Dummkopf, das ist eine Frucht, kein Tier.“


Adam biß herzhaft hinein.


„Schmeckt ja ganz gut, aber ich habe plötzlich das Gefühl, daß das hier gar kein Paradies ist. Wir müssen und irgendwie verlaufen haben.“


„Das Gefühl habe ich schon lange.“, sagte Eva leise vor sich hin, biß in den Apfel und kaute gelangweilt.


„Das ist ein Apfel des Bösen.“, sprach der Wurm, „Nicht mehr davon Essen.“


„Du willst doch nur, daß ich dir dein Haus nicht wegesse, oder?“


„JA! Wo soll ich denn wohnen, wenn du ihn mir nimmst? Wo sollen meine Kinder aufwachsen?“


„Mir doch egal.“, sagte Eva, zog den Wurm heraus, gab ihn Adam zum grillen und biß nochmals in den Apfel.


Adam nahm Eva an die Hand: „Laß uns hier verschwinden. Irgendwas sagt mir, daß die Welt größer ist und wir noch sooo viel zu erfinden haben. Autos, Bomben und Computer, Kriege, das wird ein Fest.“


„Leider nur für Männer.“, Eva wollte bleiben, doch sie fürchtete sich vor der Einsamkeit.


Stumm gingen sie fort.


„Na endlich.“, sagte der Grashüpfer und Kha ließ sich auf seinen Kopf fallen, „Endlich ist wieder alles beim alten.“